Die unglaubliche Vielfalt der Rebsorten auf den Balearen-Inseln

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Zwischen 1869 und 1891 veröffentlichte der Erzherzog Ludwig Salvator von Österreich ein faszinierendes Werk über die Balearen unter dem Titel Die Balearen – geschildert in Wort und Bild, mit über 6.000 Seiten in 9 Bänden. Ludwig Salvator, der fast 40 Jahre lang auf Mallorca ansässig war, lernte die Landessprache und befasste sich mit der Erforschung der örtlichen Flora und Fauna, der Geschichte und Kultur sowie der einheimischen Landwirtschaft, Architektur, des Handwerks und der Navigation, und vielem Anderen mehr.

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Diese außergewöhnliche Publikation ist heute in ihrer Originalausgabe extrem selten zu finden, aber bibliophile Liebhaber können einen Blick auf die Prachtbände werfen, indem sie die einzigartige Bibliothek der Fundación Bartolomé March im Palau March, direkt unterhalb des Palau de l’Almudaina in Palma, besuchen. Der Eintritt ist frei (Montag, Mittwoch und Freitag von 9:30 bis 14:00h, Dienstag und Donnerstag von 16:00 bis 20:00h).

Das Meisterwerk des Erzherzogs, das auf dem Gebiet der regionalen Studien der Balearen und deren Ethnologie ohnegleichen ist, wurde ausser auf Deutsch (online hier) auch komplett auf Spanisch veröffentlicht (1980-1991, Caixa d’Estalvis de les Balears, ‚Sa Nostra‘). Eine nur auf das Segment Mallorca beschränkte katalanische  Ausgabe wurde 1999 von der Grup Serra unter dem Titel Les Balears veröffentlicht.

Die enzyklopädische Originalveröffentlichung enthält in einem umfangreichen Kapitel über die Landwirtschaft auch einen ergiebigen Abschnitt über Reben, den Weinbau und die Weinherstellung mit der Beschreibung von 39 einheimischen Rebsorten auf Mallorca, Menorca und Ibiza. Der Erzherzog hat z. B. die Malvasia-Traube auf seinem Landgut in der Nähe von Valldemossa angebaut und gekeltert.

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Vor Kurzem veröffentlichte die Govern de les Illes Balears und ihre Abteilung für Umwelt, Landwirtschaft und Fischereiwesen ein äusserst nützliches und informatives Buch auf katalanisch über die heimischen Rebsorten auf den Balearen. Wenn Sie sich für Wein und die Weinherstellung auf Mallorca interessieren, sollten Sie sich das Vergnügen gönnen und dieses Buch erwerben, das reich an Details ist, in dem 28 autochthone Rebsorten auflistet werden, die als Keltertrauben für den Weinbau geeignet sind (Al·leluia, Argamuss, Batista, Batista mallorquin, Callet, Callet negrella, Escursac, Esperó de gall, Fernandella, Fogoneu, Fogoneu mallorquí, Gafarró, Galmeter, Giró negre, Giró ros, Gorgollassa, Malvasia de Banyalbufar, Mancès de capdell, Mancès de tibús, Manto negro, Moll, Quigat, Sabater, Sinsó, Valent blanc, Valent negre, Vinater blanc and Vinater negre), sowie weitere 10 Sorten, die als Tafeltrauben ausgewiesen sind (Calop blanc, Calop negre, Calop vermell, Joanillo, Mamella de vaca, Moscatell, Moscatell romà, Pepita de oro, Pepita rosada, Peu de rata).

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Natürlich gibt es auf Mallorca noch ein gutes Dutzend weiterer Rebsorten, die hier für die Weinherstellung angebaut werden, die allerdings überwiegend französischer, italienischer, spanischer oder deutscher Herkunft sind.

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Um die Dinge ein wenig komplizierter und vielleicht auch noch ein bisschen spannender zu machen, gibt es noch einige Keltertrauben, die derzeit auf Mallorca nicht für die Weinherstellung zugelassen sind, seien diese Rebsorten nun ausländischer, nationaler oder regionaler Herkunft.

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Oh weh, die Politik.

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Die Fotos der Trauben und des Weinfelds dieses heutigen Beitrags wurden von John Hinde aufgenommen. Besten Dank.

Gute Nachrichten für Santanyí

Son Alegre, DO Pla i Llevant

Manchmal kann Bürokratie ganz schön verrückt sein, oder?

Als die Winzer der zentralen Region von Mallorca, ein Gebiet, das als Pla bekannt ist, im Jahr 1999 beschlossen, ihre eigene DO (Denominación de Origen) zu gründen, gab es nur Winzer in Petra, Sineu, Algaïda, Ariany, Maria de la Salut, Sant Joan, Santa Margalida und Muro, die Reben angebaut, Trauben ernteten und sich mit der Kunst der Weinherstellung beschäftigten. Deshalb wurde eine Einladung an ihre Kollegen im Osten und Süden der Insel ausgesprochen, und somit wurden Capdepera, Artà, Llucmajor, Campos, Porreres, Manacor, Montuïri und Felanitx in die neuen DOP (geschützte Ursprungsbezeichnung) oder kurzgenannt DO Pla i Llevant, einbezogen. Irgendwie gelang es dabei, die Region von Santanyí wegzulassen oder zu vergessen, obwohl diese doch ganz eindeutig zur Region der Llevant gehört, wahrscheinlich einfach deshalb, weil seit 1895 niemand in dieser Gegend die Herausforderung der Herstellung von Wein auf sich genommen hatte. Seit dem Jahrtausendwende wurden in der DO Pla i Llevant, wie sie formell und ganz offiziell in gutem Katalanisch genannt wird, Weine gekeltert und zwar recht erfolgreich, ohne dass weiter ein Gedanke an die Menschen oder an die Region von Santanyí verschwendet wurde. Hmm.

Dinge begann sich ab 2002 zu ändern, aber wirklich nur sehr langsam. Ein junger Mann aus Sanyanyí, Enkel und Urenkel von Bauern aus Calonge (Santanyí), erwarb ein beträchtliches Stück Land, etwa 51 Hektar, pflanzte dort mehr als 1000 Olivenbäume, säte viel autochthonen Xeixa Weizen und wandelte ein 5 ha Stück des neu erworbenen Landguts in das um, was es schon vor hundert Jahren gewesen war, eine Vinya (Weingut). Rund 12.000 Rebstöcke wurden mit viel Liebe in den Boden gesetzt, vorwiegend Trauben der Sorten Chardonnay und Malvasía, sowie Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah.

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Aber man kann nicht einfach ein Stück Land kaufen und ein paar Reben pflanzen und dann erwarten, in eine geschützte Ursprungsbezeichnung aufgenommen zu werden. Das kann man nur für ein schutzfähiges Produkt beantragen. Die Weinherstellung ist aber eine sehr langsame Angelegenheit. Es dauert etwa drei Jahre, ehe man die ersten Trauben sieht und ein oder zwei weitere Jahre, ehe man eine einigermaßen ordentliche Ernte haben kann. Im Fall von Son Alegre erfolgte die erste richtige Weinlese im Jahr 2008 und der erste Wein wurde im Jahr 2009 in Flaschen abgefüllt. Nun sind wir in unserem sechsten Jahr und deshalb wurde im Sommer 2015 ein Antrag bei der DO Pla i Llevant eingereicht, bitte als zur Region Pla i Llevant gehörig anerkannt zu werden.

Aber bitte nicht ganz so schnell. Alles, was heutzutage in Europa passiert, muß zunächst vor den kritischen Augen der Bürokraten in Brüssel Revue passieren. Und ehe eine Eingabe an die Europäische Kommission gerichtet werden kann, müssen erst die hiesigen Behörden ihre Zustimmung geben. Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass der Consejo Regulador de la Denominación de Origen Pla i Llevant den von Son Alegre eingereichten Antrag befürwortet und an die entsprechenden mallorquinischen Behörden weitergeleitet hat. Am 11. Januar 2016 veröffentlichte das BOIB (Boletín Oficial de las Islas Balears) eine dementsprechende Entscheidung des Consell Insular de Mallorca und dessen ehrenwerter Dirección General de Agricultura y Ganadería, die Region Santanyí nachträglich in die oben genannte DO Pla i Llevant aufzunehmen.

Aber damit sind wir immer noch nicht ganz so weit, nein, bitte.

Jede Veröffentlichung im BOIB, dem amtlichen Nachrichtenbulletin der viel gepriesenen Govern de les Illes Balears, kann erst dann in Kraft treten, wenn niemand einen Einspruch gegen die neue Regel oder Regulierung einlegt. Normalerweise ist eine Einspruchsfrist von zwei Monaten für einen solchen Fall vorgesehen; wir glauben, dass gestern, am 11. März, das entsprechende Datum war. Soweit wir wissen, wurde von niemandem eine Beschwerde eingelegt. Das bedeutet, dass das ganze Paket der Antragstellung nun auf dem Weg nach Brüssel ist, oder in absehbarer Zeit sein dürfte. Mit etwas Glück könnten wir schließlich in einem Jahr, oder vielleicht in zwei, das Gütesiegel der Ursprungsbezeichnung, oder wie es auf Katalanisch heisst, die Denominación de Origen des Pla i Llevant, verwenden dürfen.

Und so wird es aussehen, wenn wir es endlich bekommen sollten:

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Geduld ist eine hohe Kunst, ganz so, wie die Weinherstellung eine hohe Kunst ist.

Prost.